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Neuer Landesentwicklungsplan NRW: Abkehr von der langfristigen Angebotsplanung?

13.07.2013
Mit dem Entwurf des neuen LEP NRW [1] würde die Landesregierung die langfristige Angebotsplanung des geltenden LEP NRW aus dem Jahr 1995 abschaffen – mit weitreichenden Konsequenzen.

Langfristige Angebotsplanung besteht nach geltender Rechtslage aus zwei Komponenten: Den Abgrabungsbereichen (BSAB), die den Abbau direkt für 25 Jahre sichern, und den Reservegebieten, die Flächen kennzeichnen, auf denen sich die Rohstoffgewinnung nach Erschöpfung der Abgrabungsbereiche in weiteren 25 Jahren vollziehen kann.

Reservegebiete bilden gegenwärtig das positive Gegenstück zu „Tabubereichen“ bzw. Tabugebieten [2]. Denn mit Reservegebieten werden mit Blick auf die künftige Entwicklung der Rohstoffgewinnung die Flächen gekennzeichnet, auf denen sich wirtschaftlich abbauwürdige Lagerstätten befinden und auf denen gerade keine „Tabus“ liegen. Mit dieser Kennzeichnung macht der Plangeber transparent, dass er von allen Flächen im Planungsraum die Reservegebiete bei der Entscheidung über die Ausweisung künftiger Abgrabungsbereiche vorrangig berücksichtigen wird. Mit Reservegebieten bindet sich der Plangeber in gewissem Umfang selbst.

Deswegen dürfen Reservegebiete auch nicht ohne Weiteres für andere Nutzungen in Anspruch genommen oder zum „Tabubereich“ erklärt werden.

Jeder kann also der Reservegebietskarte entnehmen, auf welchen Flächen die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass sie die Regionalplanung als Abgrabungsbereiche ausweist und dort in Zukunft die Rohstoffgewinnung betrieben werden kann. Das kann ganz erheblich zur Befriedung der Konflikte im Planungsraum beitragen. Denn alle Beteiligten können erkennen, wo planerische Entscheidungen zu Gunsten der Rohstoffgewinnung mit großer Wahrscheinlichkeit fallen werden. Das erzeugt Planungssicherheit. Und wer in Reservegebieten bereits unternehmerische Aktivitäten plant, weiß, dass er auf eigenes Risiko handelt. Denn der Plangeber kann sich auch gegen die Darstellung eines Reservegebiets als Abgrabungsbereich entscheiden – er muss dies dann allerdings auch rechtfertigen.

Im Entwurf des LEP NRW ist von dieser Konzeption nichts mehr übrig. Die Regionalplanung soll der Rohstoffwirtschaft über die Abgrabungsbereiche hinaus nichts mehr in Aussicht stellen und insbesondere nicht transparent machen, wohin die Rohstoffgewinnung sich in weiterer Zukunft räumlich entwickeln könnte.

Im Gegenteil: Der Entwurf des LEP NRW verschiebt die Akzente deutlich, indem er nun selbst vier absolute „Tabugebiete“ (z. B. Wasserschutzzonen I bis IIIa) festlegt [2] und die Plangeber geradezu auffordert, noch mehr Tabugebiete zu definieren. Ausdrücklich wird die Wasserschutzzone IIIb genannt, obwohl bereits vor Jahren unter fachlicher Begleitung festgestellt worden war, dass bei Einhaltung bestimmter Vorkehrungen hier die Rohstoffgewinnung keinesfalls von vornherein ausgeschlossen ist.

Damit wird eine bisher vereinzelt gebliebene Regionalpolitik sanktioniert, die auch den offenen Bruch geltenden Rechts in Kauf nahm. Denn obwohl die langfristige Angebotsplanung des geltenden LEP NRW lange Zeit von großem Konsens getragen war [3], widersetzte sich der Regionalrat in Düsseldorf der Pflicht zur Darstellung von Reservegebieten. Die übergeordnete Landesplanung setzte das höherrangige geltende Landesrecht nicht durch. Das OVG Münster urteilte im Jahr 2006, das eigenmächtig anstelle der Reservegebietskarte in Düsseldorf etablierte Monitoring bleibe „systematisch und deutlich hinter den Eckpunkten des LEP zurück“ [4].

Die damalige Regierung unterlief die landesplanungsrechtlich zwingenden Zielvorgaben zu den Versorgungszeiträumen durch einfachen Ministererlass [5]. Das Abgrabungsgeschehen sollte vollends den – politisch dominierten – Trägern der Regionalplanung und der Regierung überlassen sowie einer etwaigen gerichtlichen Kontrolle weitestgehend entzogen werden.

 

[1] PDF (1,5 MB) auf nrw.de abrufbar.
[2] Siehe Plansatz 9.2-3 LEP NRW-Entwurf.
[3] Vgl. zum Regionalplan Düsseldorf OVG Münster, Urteil vom 24.05.2006, Az.: 1612/04, Textabsatz 84.
[4] Erlass des MUNLV zur Rohstoffsicherung vom 29.11.1996 (Aktenzeichen VI A 2 ‑ 71.73.00.01).
[5] Erlass des MWME zur Rohstoffsicherung für Lockergesteine in Regionalplänen vom 11.04.2008 (Aktenzeichen 30.03.01.07).

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